Tuesday 11 December 2012

Weihnachts-Tester


 

Es ist wieder soweit – Alles ist weiß, was bedeutet: Weihnachten ist jede Minute hier. Kaum hatten wir neulich mein dick verpacktes Patenkind mit vereinten Kräften aus den Lagen von Mützen, Schals, Schneeoverall, Fellweste etc hervorgeschält, wollte sie wieder raus in den Schnee. Mutter und Patentante wollten aber Kaffee trinken. Also wurde das Patenkind kurzerhand zum Buchladen-Testobjekt erklärt und bekam Annette Mosers Das kleine Reh und das Weihnachtswunder in die Hand gedrückt. Ein wunderbares Buch für Kleine, in dem das Reh Finn seinen ersten Schnee erlebt – am Ende steht mit Hilfe diverser Tiere ein weihnachtlich geschmückter, tiefverschneiter Wald. Hier und dort glitzert es ein wenig – der Gesamteindruck ist gerade kitschig genug, aber im Grunde stimmungsvoll und ein bisschen verzaubert.



Das wir hier meinen neuen Weihnachtsrenner vor uns haben war in dem Moment klar, in dem das zappelige Patenkind das neue Buch aufklappte und laut „EIERLOCH!“ rief. Bei einem Sprach-Gesamtumfang von vier (!) Wörtern ist dies eine ganz besondere – vielleicht sogar die allerhöchste - Auszeichnung. Selten wurde mir ein Buch so deutlich ans Herz gelegt.

 

Wenn Sie ein Eierloch-Buch für Erwachsene wünschen, kann ich Ihnen das neueste Werk von Christoph Ransmayr empfehlen: Atlas eines ängstlichen Mannes. Ransmayr, ein scheuer, zurückgezogener Mensch beschreibt in 40 (autobiografischen) Episoden Situationen aus dem Leben eines Wanderers um die Welt. Seine direkte, unverstellte Sprache erreicht den Leser mit minimalem Aufwand. Jede Episode beginnt mit den Worten: Ich sah.

„Ich sah die Heimat eines Gottes auf 26° 28´ südlicher Breite und 105° 21´ westlicher Länge…“

„Ich sah einen kahlgeschorenen Greis an einem Sandstrand nahe der Grenze…“

„Ich sah den Nachthimmel über den Graten und Höhenzügen…“
 

Was soll man sagen? Eierloch, eben. 
 
Ansonsten: Fröhliche Weihnachten!

 

Thursday 4 October 2012

So, es ist Herbst!


 

Morgens kehre ich vor dem Buchladen die ersten Blätter zusammen und bin zwei Tage lang unter den Büschen herumgekrochen, um Kastanien, Eicheln, Blätter, Äste und andere passende Materialien für das Schaufenster einzusammeln. Dabei bedachte man mich vor allem in Spielplatznähe mit mißtraurischen Blicken. Eltern und Kindern sei gesagt: ich habe nur einer Kolonie Ameisen ein warmes Zuhause gegeben – sie sind mit den Kastanienzweigen bei uns eingezogen und krabbeln jetzt fröhlich über die Bücher!



Passend zu den kürzer werdenden Tagen las ich zur Abwechslung einen Roman, der sich im Bereich des Fantastischen bewegt und dabei mit einer wunderschönen, intelligenten Erzählweise gesegnet ist - Erin Morgenstern: Der Nachtzirkus.


Wie aus dem Nichts erscheint der Zirkus der Träume über Nacht an seinem jeweiligen Standort – und verschwindet ebenso plötzlich wieder. Er verzaubert seine Besucher, die nur Nachts Einlass finden, mit immer neuen wundersamen Attraktionen. Doch eigentlich ist der Zirkus die Arena zweier Magier, die einen Wettstreit ausfechten um zu bestimmen, welche Art die Wirklichkeit zu beeinflussen erfolgreicher ist. Intuition steht gegen Intellekt – das Duell, das nur durch den Tod einer der Kontrahenten entschieden werden soll, wird durch Freundschaft und Liebe kompliziert, der Ausgang bleibt ungewiß. Die Geschichte ist bei allen Elementen der Unterhaltung durchzogen von philosophischen Gedanken, die nicht belehrend sind sondern sich ganz im Hintergrund in die Gedanken des Lesers einschleichen – am Ende ist er ebenso verzaubert wie die Besucher des Zirkus.



Und jetzt - kurz mal nachdenken: wann waren Sie das letzte mal in der Nähe von Zuckerwatte und kandierten Äpfeln?

Sunday 5 August 2012

Frühlingspause

Ich weiß, ich weiß, der Buchladen Blog ist kurzfristig eingeschlafen - eine Art Frühlingspause, doch jetzt ist alles wieder in Arbeit. Für den mal regnerischen, mal heissen Sommer entstand ein Gefühl von Wasser. Ein Haufen Kieselsteine und etwas Treibholz ergeben eine Flußlandschaft, in die sich einige
Bücher unerwartet gut einfügen!

Anstatt an dieser Stelle etwas vorzustellen, was mir gut gefallen hat, gibt es ausnahmsweise einen Kommentar der anderen Art, zum derzeitigen Phänomen des Buchmarktes: Fifty Shades of Grey, die Sensation aus den USA. Ein S&M Buch, geschrieben von einer Hausfrau, die jetzt einige Millionen reicher ist. Der Wunsch, sich über so ein viel diskutiertes Werk selbst ein Urteil zu bilden führte zu der Qual auch nur eine Seite davon lesen zu müssen.

 Selten ist mir etwas so entäuschend langweiliges untergekommen. Ich staune, daß Jahrzehnte nach "der Geschichte von O" ein solch braves Buch einen derartigen Sturm auslösen kann. Schon der "unanständige" Vertrag zwischen Meister und Sklavin beinhaltet fürchterlich aufregenden Dinge: sie verpflichtet sich, gut zu essen und zwischen den Mahlzeiten nicht zu Schokolade zu greifen. Wow! Blättert der gelangweilte Leser nun weiter, in der Hoffnung, es werde doch noch spannend, wird er herbe enttäuscht werden. Das Buch ist so brav und harmlos wie der Vertrag selbst und ebenso glatt wie die langweilige Schönheit des Helden.

Wer etwas aufregendes lesen will, nehme den Klassiker dieser Art von Literatur: die Geschichte der O, von Anne Desclos unter dem Pseudonym Pauline Réage verfasst und 1954 veröffentlicht. Dieses Werk ist wohl immer noch unübertroffen und war damals wirklich mutig!

Viel Spaß damit - wir hoffen auf einen sonnigen August mit viel Zeit zum lesen...

Thursday 12 April 2012

Thursday 12 January 2012

Neues Jahr

Nachdem die Weihnachtshektik jetzt weit weit hinter uns liegt, können wir kurzfristig durchatmen. Das ist auch besser so, denn jeder, der das fortgeschrittene Alter von zwölf Jahren überschritten hat, weiß sehr wohl, das übermorgen Ostern ist und dann ist ja auch schon wieder - wie könnte es anders sein - Weihnachten!
Nun denn. Um mich von diesen Ostern-ist-übermorgen Gedanken abzulenken, denn es herrscht schließlich eher nasser Frühling als vernünftiger Winter, habe ich zumindest im Schaufenster Eis und Schnee verteilt. Meine Kunden stehen mit Latte vom Kaffee neben an davor, ohne Mütze und Handschuhe, und frieren in Gedanken mit den verrückten Abenteurern, Forschern und anderen Verirrten die sich in die Polarwildnis gewagt haben. Eine der spannendsten Geschichten, die ich kenne, ist Alfred Lansing: 635 Tage im Eis. Darin beschreibt er Shackletons unglaubliche Reise in die Antarktis - Schiff im Packeis, Schiff gesunken, alle Mann auf Eisschollen treibend, für zwei Polarwinter, in Knickerbocker Hosen und Wollpullovern - man kann es nicht glauben. Da ich jemand bin, der in James Bond Filmen die Augen zu macht, zieht mich hier besonders an, daß am Ende alles gut wird!
Also. Stellen sie die Heizung ab, machen Sie das Fenster auf, tun Sie so, als sei Winter - und lesen Sie dazu etwas über die Kälte. Viel Spaß, und denken Sie daran: Übermorgen ist Ostern!